Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BADEN / Stadttheater: Premiere des Musicals HALLO, DOLLY

20.02.2022 | Operette/Musical
hallodollybaden1

Patricia Nesse (Dolly) und (links oben) Artur Ortens (Oberkellner Rudolph). Alle Fotos: Bühne Baden / Christian Husar

BADEN / Stadttheater: Premiere des Musical-Evergreens HELLO, DOLLY

19. Feber 2022 – Premiere

Von Manfred A. Schmid

Bei den letzten Proben, so hört man, wurde noch mit Gesichtsmasken gespielt und gesungen. Herausgekommen ist – als Lohn für die Mühe – eine bezaubernde Neuproduktion von Jerry Hermans Hello, Dolly, präsentiert an der Bühne Baden in der deutschen Version Hallo, Dolly von Robert Gilbert. Der Musical-Klassiker, dessen Verfilmung mit Barbra Streisand und Walter Matthau unvergessen ist, wird vom Hausherrn Michael Lakner mit viel Schwung und weitgehend originalgetreu umgesetzt. In einer Szene ist die Rede davon, ob man eine Droschke oder einen Bus nehmen soll: Das passt haargenau zur Jahrhundertwende. Und dieses Ambiente findet sich im jugendstilmäßig angehauchten und praktikablen, weil rasche Szenenwechsel erlaubenden Bühnenbild von Manfred Waba ebenso wie in den geschmackvollen Kostümen Friederike Friedrichs stimmungsvoll eingefangen

Die schwierigen Probebedingungen ist es wohl geschuldet, dass die Ouvertüre nur rudimentär angedeutet und auf den irrwitzigen „Mutterschaftsmarsch“ der drei Damen Dolly, Irene Molly und Minnie Fay in der Szene im Hutladen zur Gänze verzichtet wird. Das Orchester der Bühne Baden unter der bewährten Leitung von Franz Josef Breznik leistet insgesamt aber eine untadelige Arbeit. Außerdem ist zu erwarten, dass in den nächsten Aufführungen alles noch perfekter werden sollte. Der erste Teil ist noch etwas holprig, so richtig in die Gänge kommt die Produktion erst nach der Pause. Da nimmt sie Farbe und Tempo auf, und in der Szene im Harmonia Garden Restaurant wird ein fulminantes Feuerwerk an tollen Gags und wirkungsvollen Showeinlagen dargeboten. Da wirbeln die Kellner (in der Choreographie von Anna Vita) mit ihren Speisetabletts nur so durch die Luft, und die musikalische Umsetzung des Musicalhits „Hallo, Dolly“, der es in der unvergleichlichen Version von Luis Armstrong auf Platz 1 der US-Charts geschafft hatte, wird zu einem berührenden, überaus gelungenen Höhepunkt des Abends. Ein insgesamt tolles Ensemble führt vor, was in ihm steckt und was es zu leisten imstande ist.

Mitten drin die einzigartige vitale Patricia Nessy in der Rolle der umtriebigen, vielseitigen Dolly Gallagher Levi, die weit mehr ist als nur eine Heiratsvermittlerin, sondern ein Energiebündel mit ungeahnten Kräften und Fähigkeiten. Sie ist eben, wie sie selbst bekennt, „eine Frau, die gerne was arrangiert“. Wie Dolly/Nessy den nüchternen Horace Vandergelder subtil umgarnt und letztendlich dazu bringt, sie – entgegen seinen Vorsätzen – zu heiraten und dabei gleich noch drei weiteren Paaren zum Glück verhilft: Es ist ein Vergnügen, ihr cleveres Treiben mitzuverfolgen und mitzuerleben. Ein Urgestein der- nicht nur österreichischen – Musicalszene. Man erinnert sich gerne an ihre Elisabeth am Theater an der Wien oder Aldonza/Dulcinea an der Volksoper und freut sich, dass sie – gesanglich und darstellerisch überzeugend – mit der Rolle der Dolly ihrer beeindruckenden Karriere einen weiterer Glanzpunkt hinzufügen kann.

Andreas Steppan als pragmatisch-sparsamer „Halbmillionär“ Horace Vandergelder kann mit der starken Ausstrahlung seiner Partnerin nicht mithalten und wirkt eher blass und müde. Aus dieser Rolle wäre – nicht nur im Vergleich zu Walter Matthau in der Filmversion – mehr herauszuholen gewesen.

Drei weitere Damen kommen am Ende ebenfalls unter die Haube: Irene Molloy (Valerie Lucksch), Besitzerin eines Hutladens in New York, wie Dolly verwitwet, verliebt sich in Cornelius Hackl (Ricardo Frenzel Baudisch). Dieser ist erster Kommis in Vandergelders Heu-, Futter- und Lebensmittellanden und als Person ein Landei, das nach New York kommt, um endlich eine Frau kennenzulernen. In ihrem Liebesduett „Es kann oft ein Moment sein“ („It only Takes a Moment“) besingen sie selig ihre unvermutete Zweisamkeit.

Iva Schell als entzückende Minnie Fay, Molloys Angestellte, findet in Hackers Arbeitskollegen Barnaby Tucker, dargestellt von Martin Fischerauer, den Mann ihrer Träume. Ermengarde hinwiederum, Vandergelders Nichte und Erbin, landet in den Armen ihres Verehrers Ambrose (Matthias Trattner) und widersetzt sich damit erstmals und gewollt dem Willen ihres Onkels. Ihr aufgesetztes Dauerschluchzen nimmt damit endlich ein Ende. Caroline Zins gestaltet ihren Schmerz zuvor übertrieben herzergreifend, für manche im Publikum vielleicht doch etwas zu nervig. Keinesfalls aber so nervig wie das im ersten Teil penetrant zu hörende, zermürbende Geräusch im Parterre des Badener Stadttheaters, das wohl von ein einer defekten technischen Anlage verursacht worden sein dürfte. Gottseidank ist davon – vermutlich nach heftigen Protesten in der Pause – nichts mehr zu hören.

Alle zuletzt Genannten werden ihrer Aufgabe, als Buffopaare Verwirrung zu stiften für Lacher zu sorgen, vollauf gerecht. Besonders gut gelungen das Versteckenspiel vor den gestrengen Augen ihres Chefs Vanderberg im Hutsalon und der Fußmarsch zum Restaurant Harmonia.Besondere Erwähnung verdienen zudem Artur Ortens als ebenso eindrucksvoller wie sympathischer Oberkellner Rudolph sowie der spiel- und (no na!) sangesfreudige Chor der Bühne Baden unter der Leitung von Christoph Huber.

Der schöne, ausbaufähige Musical-Abend in Baden wird mit herzlichem, wenn auch etwas kurz ausfallendem Applaus bedacht. Wiedersehen und Wiederhören macht gewiss Freude.

20.2.2022

 

Diese Seite drucken