Berlin, Pierre Boulez Saal: Staatsoper Barocktage, „OTTAVIO DANTONE & ACCADEMIA BIZANTINA mit der Oper „LE CINESI“, 13.11.2021
Pierre Boulez Saal, Staatsoper Barocktage, Le Cinesi + Accademia Bizantina ©PeterAdamik
Gut Italienisch sollte man/frau können, um sich im Pierre Boulez Saal bei der Mini-Oper „Le Cinesi“ genau so zu amüsieren wie das stark vertretene Publikum aus bella Italia, sei es angereist oder in Berlin zu Hause.
Der zu hörende, 75-minütige Einakter, eine „Azione teatrale“ vom jungen Christoph Willibald Gluck, wird im Programmheft als konzertante Aufführung angekündigt. In der Tat stehen nun drei schöne Sängerinnen und ein junger Tenor mit fernöstlichen Gesichtszügen auf der Bühne. Es ist der kanadische Sänger und Schauspieler Spencer Britten, ein Mitglied des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Unter den Linden und schon weithin gebucht.
Aha, das ist also der Chinese. Nein. „Le Cinesi“ übersetzt sich mit „Die Chinesinnen“, doch keine der Schönen ähnelt der Madame Butterfly. Eine von ihnen ist Chiara Skerath mit ihrem perfekten, aber samtigen Sopran, die in der echt großen Oper „Idoménée“ eindrucksvoll die Rolle der trojanischen Prinzessin Ilione verkörpert. In der Kurzoper „Le Cinesi“ singt sie im schwarzweißen Abenddress die Sivene.
Hinzu kommen die Mezzosopranistin Ema Nikolovska als Tangia und die große schlanke Altistin Delphine Galou als Lisinga, eine Schönheit im grünlichen, schulterfreien Abendkleid.
Für den richtigen Schwung sorgt der Dirigent Ottavio Dantone, der seit 1996 die Accademia Bizantina, ein international geschätztes Barock-Orchester, leitet.
Um was geht es? „Das italienische Libretto stammt von dem Wiener Hofdichter Pietro Metastasio. Gluck schrieb diese Oper zum Anlass der Einladung Maria Theresias durch den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen auf sein Landgut Schloss Hof, auf dem ein mehrtägiges Fest gefeiert wurde. Die Uraufführung fand dort am 24. September 1754 statt. Es ist eine spielerische ästhetische Diskussion im Gewande einer Chinoiserie, die das Trauerspiel, die Pastorale und die komische Oper vergleicht“, ist dazu bei Wikipedia zu lesen.
Gluck war übrigens nicht der erste, der diesen Text vertonte, doch seine Version hat sich durchgesetzt. Es geht jedenfalls um drei junge Chinesinnen, die in Lisingas Zimmer zusammensitzen, als deren Bruder Silango (Spencer Britten), zurück von einer Europa-Reise, plötzlich hineinkommt. Das ist gegen die guten Sitten, die „Mädchen“ protestieren und Tangia (Ema Nikolovska) müht sich, ihn hinauszudrängen.
Er wehrt sich, da er in Sivene verliebt ist, und da ihn sonst niemand sehen soll, muss er bis zum dunklen Abend bleiben, um sich dann unauffällig zu entfernen. Er schlägt den Dreien vor, Theater zu spielen, und das erledigen nun mit Verve die „Chinesinnen“. Das heißt aber auch, dass er relativ wenig zu singen hat.
Am intensivsten legt sich Lisinga (Delphine Galou) ins Zeug. Sie hat sich die Darstellung einer Tragödie ausgewählt und sinkt auch mal weinend zu Boden. Sivene und Silango spielen angeblich als Schäferin und Schäfer eine Pastorale, während sich Tangia bald über Silango lustig macht.
Streit zwischen den Dreien gibt es offensichtlich auch. Da aber alle mit der Partitur in den Händen dastehen und sich fast ständig auf die Noten konzentrieren (müssen), erschließt sich der Inhalt für Nicht-Italiener/innen kaum. Etwas mehr Rollenspiel wäre ein Gewinn.
Andererseits singen die drei Damen großartig, und auch das Orchester ist Klasse. Zuletzt stampft öfter einer, vielleicht der Herold, den Rhythmus mit dem Schellenstab. Eine Art Donner ertönt ebenfalls einige Male und weckt sicherlich diejenigen auf, die mangels Szene etwas eingenickt sind. Imponierend war diese Gesamtleistung durchaus, und das Publikum zeigte sich zu Recht begeistert. Heftig klatschend und trampelnd errang es noch eine Zugabe.
Tags darauf, am 14. 11., endeten die Barocktage der Staatsoper Berlin, doch nicht alle Stücke verschwinden sofort aus dem Spielplan, beispielsweise nicht, wie neulich erwähnt, die Barockoper „Idoménée“.
Ursula Wiegand